Donnerstag, 9. Dezember 2010
DIE WELT DES FC BASEL 1893
Ich kann mich nicht mehr an alle Details erinnern, weder an das Wetter, noch an die Kleidung, die ich trug. Aber ich erinnere mich stets zurück an diesen einen Abend im Herbst 2002. Nach zwei Minuten folgte die erste Explosion, zwanzig Minuten später die Zweite und kurz darauf die Dritte. Mit Explosionen bezeichne ich diese unglaublichen Gefühlsausbrüche, welche die Herren Rossi, Gimenez und Atouba mir und den etwa 30'000 anderen Baslern verpasst haben. Wie ein Irrer rannte ich die Treppe hinunter und wieder hoch, ging von einem Kollegen zum nächsten, mit jedem musste mit einer Umarmung kurz gefeiert werden. Wir, wir sind der FC Basel - die anderen, das waren die Herren aus Liverpool. Das Spiel endete mit einem umkämpften 3:3. WIR, wir waren weiter - Zwischenrunde in der Champions League. A night to remember? Indeed. Oder noch besser, another night to remember...
Als nördlichste Grossstadt der Schweiz hat Basel einen speziellen Stellenwert für seine Einwohner und auch für die Agglomeration. Durch die spezielle Lage gleich an zwei Länder (Frankreich, Deutschland) anzugrenzen, ist Basel wirtschaftlich eine Goldgrube. Basel ist eine lebendige Stadt, die sich ihren Dingen teils äusserst exzessiv hingibt. Der Basler lebt für die Fasnacht - und für seinen FC Basel.
Der FC Basel mag im europäischen Vergleich wohl nicht mit dem FC Barcelona, Manchester United oder Bayern München konkurrieren können. Zu wenig TV-Gelder werden in der Schweiz generiert, zu klein ist die Fanbase im Vergleich mit den genannten Topclubs. Jedoch, klein muss nicht immer gleich schlecht sein.
Es war 1988, da passierte der Fall in die Zweitklassigkeit, welche bis Mitte der neunziger Jahre andauerte. Der Aufstieg wurde mit einem gewaltigen Fest gefeiert, doch es folgten Jahre des Mittelmasses, aus welchem auch der mittlerweile verstorbene Trainer Jörg Berger den Verein nicht hatte befreien konnte. Gestandene Bundesligaspieler wie Maurizio Gaudino, Oliver Kreuzer, Jürgen Hartmann oder Franco Foda wurden ins heimische Stadion "Joggeli" transferiert um den Meistertitel nach Basel zu holen. Jedoch scheiterte das Unternehmen und endete beinahe in einem Fiasko namens Abstieg. Der damalige Präsident des Vereins René C. Jäggi lernte jedoch aus seinen Fehlern und läutete mit der Verpflichtung des Schweizer Trainers Christian Gross eine unglaubliche Ära ein. Das neue Stadion wurde mit dem Double-Gewinn erst so richtig eingeweiht und der FC Basel qualifizierte sich mit dem wohl stärksten Clubkader, welches eine Schweizer Mannschaft bisher gesehen hat, für die Gruppenphase und anschliessend für die heute nicht mehr existierende Zwischenrunde der Champions League. Liverpool, Manchester, Juventus Turin, Deportivo La Coruña, Valencia, Moskau - gegen alle Teams konnte Basel punkten und schied schlussendlich knapp in der Zwischenrunde aus. Die Folgen dieser Kampagne waren klar. Basel ist auf der europäischen Fussballbühne erschienen und Spieler wie Hakan und Murat Yakin, Christian Gimenez und Co. waren heiss begehrt. Es folgten Jahre der nationalen Dominanz, ein Ausflug ins Viertelfinale des UEFA-Pokals und leider auch der sogenannte "13. Mai 2006". Nachdem der FCB die Saison 2008/2009 nur auf Platz 3 beendete, war nach vielen Erfolgen die Ära Christian Gross zu Ende.
Mit dem Ex-Bayern München-Star Thorsten Fink wurde eine neue Lichtgestalt nach Basel geholt, welche dem angeschlagenen Verein neues Leben einhauchte. Neue Besen kehren manchmal eben doch gut. Ebenso kehrte der Rekord-Torschütze der Schweizer Nationalmannschaft Alexander Frei nach Basel zurück. Zusammen mit Marco Streller ist Frei das Symbol für den neuen Offensivspirit. Die Mannschaft, mit neuer Münchner Winnermentalität im Blut, belohnte Trainer Fink und seine Fans mit dem erneuten Double-Gewinn und der Qualifikation für die Champions League. Die Ära Fink ist noch jung - jedoch sind die Weichen in eine äusserst rosige Zukunft gesetzt.
Regisseur Michael Flume riskierte einen Blick hinter die Kulissen des grössten Schweizer Fussballvereins und öffnet für den Zuschauer die Welt des FC Basel. Obwohl die Titelwahl des Films etwas ungenau zu sein scheint. Heisst der Film nun "Die Welt des FC Basel 1893" oder schlicht "FC Basel 1893 - Der Film"? Nun, das ist dem Fan ja egal. Die Menüführung der Disk gefällt schon mal. Doch, warte mal, wo ist denn hier der "Film starten"-Button? Den gibts nicht. Der Film ist unterteilt in diverse Kapitel, welche leider alle einzeln aufgerufen werden müssen. Schade, so habe ich mir einen gemütlichen Filmabend eigentlich nicht vorgestellt. Unterteilt ist der Film in die Kapitel Historisches, Erste Mannschaft, FCB-Nachwuchs, FCB-Frauen, Rotblau Total, Ticketing Infos, FCB-Geschäftsstelle und ein Bonus-Kapitel. Diese Kapitel sind weiter unterteilt in Unterkapitel, welche fast alle mit einer "alle abspielen"-Funktion versehen wurden. Jedoch fehlt diese Funktion ausgerechnet bei den ansonst genialen Spieler-Portraits. Hier muss noch jeder Spieler einzeln angewählt werden. Absolut nervig. Zudem ist der Ton beim Portrait von Verteidiger Behrang Safari komplett gestört. Man hört da einfach gar nichts, nur rauschen. Ein ganz grober Patzer.
Die einzelnen Kapitel wurden jedoch mit bedacht gewählt und wirklich jedes Element des Vereins bekommt so seine Sekunden. Vergangene Erfolge werden gezeigt, lebende Legenden beleuchtet, der alte und der neue Tempel bekommen ihren Auftritt, auch René Häfliger darf ein "Best Of" seiner Sendung Rotblau Total präsentieren. Der Bereich FCB-Mädels jedoch ist wohl nur wegen der Quote noch in den Film gerutscht und bringt dem Zuschauer nicht viel neue Infos. Interessant hingegen ist das Kapitel FCB-Nachwuchs, welches das Training, den geplanten Campus und auch das bestehende Wohnhaus unserer Jungen zeigt.
Leider kommen meines Erachtens die Fans viel zu kurz. Betrachtet man, wieviel Zeit diese mit Choreos verbringen, wieviel Herzblut diese Leute in den Verein stecken, so ist es beinahe ein kleiner Skandal, wird die wohl wichtigste Geldquelle des Vereins hier doch sehr ignoriert. Sehr schade, kann Basel sich doch rühmen eine Fankultur zu haben, welche durch alle Gesellschaftsschichten geht.
"Die Welt des FC Basel 1893" sollte ein Monument für den FCB darstellen, ist jedoch eher ein interessantes Zeitdokument geworden, welches Tribut an eines der wohl stärksten Kader in der Geschichte des FC Basel darstellt. Der Film schneidet alle Bereiche des FCB's an - und hier liegt leider, neben der fehlenden "Play All"- oder "Play as Movie"-Funktion auch der Schwachpunkt. Kaum wird ein Kapitel nur ansatzweise interessant, ist es auch gleich wieder vorbei. Gerne hätte ich mehr Szenen aus der Kabine gesehen, während des Spiels, Ansagen des Trainers, Reaktionen der Spieler, welche dem Zuschauer sonst vorenthalten werden, etc. Das gezeigte Material ist jedoch von absolut hochwertiger Qualität und Michael Flume hat es geschafft, den Verein mit seiner Kameraführung noch ein wenig besser darzustellen, als er in Wirklichkeit ist. Ich meine, wer diesen Film gesehen hat, kann kaum glauben, dass die Gegner der Liga Thun oder Bellinzona heissen (bei allem Respekt für diese Gegner), waren doch soeben FCB-Fan Roger Federer oder Oscar-Preisträger Arthur Cohn in diversen Hochglanz-Szenen zu sehen.
Fazit: Mit CHF 39.- klar zu teuer, aber der Fan kauft ja bekanntlich alles. Ist die DVD den Preis auch wert? Schwer zu sagen. In einigen Jahren werde ich den Film nochmal in den Player legen und in Erinnerungen schwelgen an die Ära Thorsten Fink, an Strellers grandioses Tor gegen Xamax, an den kleinen Blitz Shaqiri, der bis dahin wohl seine Schuhe für Manchester United schnüren wird, an Inkoom, den sympathischen jungen Mann aus Ghana, an Costanzo, der uns mit seiner symphatischen Art hoffentlich bis zum Karriere-Ende erhalten bleibt, an einen Meistertitel, der einige private Dämonen vertrieben hat - ja, dieses Zeitdokument wird, in einer Funktion ähnlich einer amerikanischen Zeitkapsel, sein Geld wert gewesen sein.
Schulnote 4.75
DIE OFFIZIELLE WEBSITE DES FC BASEL
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Trailer zum Film
Einige Highlights des FC Basel auf Youtube
FC Basel in der CL 02/03
Meistertitel 2002
Mladen Petric (jetzt HSV) hält einen Penalty
Strellers Traumtor gegen Neuchatel Xamax
Luzern 4 - Basel 5
Christian Gross an der Pressekonferenz nach dem Titel 08 :-)
Meine Wenigkeit mit dem Auftritt für die Spendenaktion 2008 :)
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